Was waren die bedeutendsten Ereignisse im Geschäftsjahr 2021?
Marco Feusi: In Niederhasli wurde die Entwicklung eines Teilareals mit der Übergabe des neuen Bürogebäudes an Doka Schweiz erfolgreich abgeschlossen. Damit ist der Weg für die Planung des künftigen Zentrums beim Bahnhof frei. Auf rund 17’000 m² entwickeln wir gemeinsam mit den Gemeindebehörden und den SBB gegen 300 Wohnungen, Geschäftsflächen, Restaurants sowie grosszügige Grünflächen. In Cham erhielten wir die Baubewilligung für die erste Etappe unseres Projekts CHAMA. HIAG baut hierrund 140 Miet- und Eigentumswohnungen sowie 3’000 m² flexibel nutzbare Büro-, Dienst- leistungs- und Gewerbeflächen. Der Baustart ist für Frühling 2022 geplant. Auch die Anpassung des Überbauungsplans für die zweite Etappe mit weiteren rund 140 Wohnungen ist auf gutem Weg. In Pratteln wurde das Richtprojekt aus dem städtebaulichen Studienauftrag abgeschlossen und das Quartierplanverfahren für das zentral gelegene HIAG-Areal auf den Weg gebracht. In Zürich ist uns in engem Austausch mit dem Baukollegium der Stadt ein Durchbruch gelungen. HIAG wirdauf ihrem Areal im aufstrebenden Quartier Altstetten ein Wohnhochhaus mit Gewerbeanteil realisieren. Weitere wichtige Ereignisse waren die erfolgreiche Aktienplatzierung im vierten Quartal, die Komplettierungdes Verwaltungsrats mit der Zuwahl eines Finanzfachmanns und einer Immobilienspezialistin sowie die Stabübergabe in der CFO-Organisation an Rico Müller.
Rico Müller: Im Bestandsportfolio haben wir mit mehreren erfolgreichen Anschlussvermietungen die Qualität des Portfolios und die Bewirtschaftungskompetenz von HIAG bewiesen. Die Leerstandsquote wurde weiter reduziert. In Brunegg konnten wir eine Logistikliegenschaft nahtlos weitervermieten. Der Vertrag mit einem etablierten Schweizer Zustellgrosshändler läuft über zehn Jahre und der Mietzins reflektiert die grosse Nachfrage nachgut gelegenen Logistikflächen. Das Gewerbeareal in Kleindöttingen ist nahezu voll vermietet. Derzeit werden Möglichkeiten für eine Verdichtung durch Ersatzneubauten geprüft. Auf dem Technologie-Campus «The Hive» in Meyrin wurden der Schulungspavillon an das internationale Gastronomieunternehmen Luigia und der neue globale Hauptsitz an den Elektrokomponentenhersteller LEM übergeben.
Wie entwickelte sich die Nachfrage nach Flächen?
MF: Die Vermietungssituation in Kleindöttingen oder auch die Nachfragebelebung in Biberist zeigen, dass es dem zweiten Sektor gut geht. Die Nachfrage nach guten Mietflächen für Industrie und Gewerbe entwickelt sich weiterhin positiv. Anders als bei der Wohnnutzung nehmen wir bei Gewerbeflächen die Realisierung erst an die Hand,wenn wir über einen guten Vorvermietungsstand verfügen. So senken wir das Investitionsrisiko. Dafür gehen wir bei der Planung und Infrastrukturentwicklung in die Vorleistung und sind so in der Lage, schnell auf Anfragen zu reagieren. Das verschafft uns in der Vermietung einen Wettbewerbsvorteil. Im Aathal und in Dietikon konnten wir Verkaufsflächen im Umfang von rund 1’200 m² auf gutem Mietzinsniveau neu vermieten. Das deutet auf eine gewisse Nachfragebelebung im nach wie vor gebeutelten stationären Non-Food-Segment hin.
Bietet der Schweizer Immobilienmarkt noch geeignete Akquisitionsobjekte?
RM: Dank ihrer sehr grossen Landreserven verfügt HIAG über strategischen Spielraum und steht weder unter Erwerbs- noch unter Realisierungsdruck. Das Ziel ist, die Rentabilität kontinuierlich zu steigern und das Potenzial in unserer Entwicklungspipeline langfristig zu realisieren.
MF: Wobei anzumerken ist, dass sich das Potenzial von HIAG insbesondere dann zeigt, wenn qualitativhochstehende Projekte für langfristige Mietverhältnisse realisiert werden. Wir haben die Flächen. Die Marktnachfrage bestimmt den Zeitpunkt der Projektrealisierung. Vor diesem Hintergrund sind auch unsere Akquisitionen zu sehen.
Marco Feusi, CEO
Was unterscheidet das Portfolio der HIAG von dem der anderen an der Schweizer Börse kotierten Immobiliengesellschaften?
MF: Die grossen Landreserven und die überdurchschnittliche Entwicklungspipeline. Unser Immobilienportfolio ist fair bewertet und bietet im Vergleich zu den im Transaktionsmarkt sichtbaren Handänderungen eine starke Basis für die Wertentwicklung von HIAG. Eine weitere Stärke von HIAG sinddie soliden Entwicklungsmargen.
Wie «managt» HIAG konjunkturelle Zyklen auf Arealen mit hohem Gewerbeanteil?
MF: Wir prüfen die Bonität der Mieter im Detail und analysieren, in welchen Sektoren sie tätig sind, welche Segmente sie abdecken, wie diversifiziert sie sind und welche Marktposition sie innehaben. Das hat sich als wirksamer Schutz gegen konjunkturelle Schwankungen erwiesen.
RM: Auch unsere Mieternähe und das partnerschaftliche Miteinander sind wichtig. So waren die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie für HIAG auch im Jahr 2021 marginal.
Das dritte strategische Standbein von HIAG ist das Transaktionsgeschäft. Wie geht HIAG vor?
MF: Wir suchen konsequent nach Opportunitäten, die in unser Portfolio passen. Das ist mit viel Arbeit für die ganze Organisation verbunden. Mit dem Transaktionsgeschäft steigern wir kontinuierlich die Qualität unseres Portfolios. Der Mietertrag aus Akquisitionen von langfristig vermieteten Bestandsliegenschaften stärkt den Cashflow. Er bildet die primäre Grundlage für unsere Dividendenpolitik. Zukäufe von Entwicklungsliegenschaften verlängern und verbreitern die Projektpipeline mit entsprechendem Wertsteigerungspotenzial. Zudem ermöglicht der Verkauf von nicht strategischen Liegenschaften regelmässigsubstanzielle Nettoerlöse.
RM: Devestitionen von nicht strategischen Liegenschaften gehören zur unserer Kapitalrecyclingstrategie. Mit den Erlösen finanzieren wir unter anderem die Entwicklung unseres Immobilienportfolios.
Welche Ziele verfolgen Sie im Nachhaltigkeitsreporting?
RM: Nachdem wir im Vorjahr erstmals einen Nachhaltigkeitsbericht publizierten, gehen wir jetzt mit der Anwendung des GRI-Standards einen Schritt weiter. Die Wahl der «Option Kern» erlaubt uns dabei, einen gewissen Pragmatismus walten zu lassen, ohne dass unser Reporting dadurch an Qualität einbüsst. Im Berichtsjahr haben wir unser Team mit einem dedizierten Nachhaltigkeitsspezialisten verstärkt und der Verwaltungsrat hat die Nachhaltigkeitsstrategie 2025 verabschiedet. Zuständig für Nachhaltigkeit ist im Verwaltungsrat aktuell der Verwaltungsratspräsident als Vorsitzender des Revisionsausschusses. In der Geschäftsleitung ist das Thema bei mir als CFO angesiedelt.
Rico Müller, CFO
Wie entwickelt sich das Joint Venture HIAG Solar?
MF: Die Zusammenarbeit mit unserem Joint-Venture-Partner aventron funktioniert hervorragend. Bisher sind vier Anlagen mit einer Leistung von über 1 MWp am Netz. Weitere sechs Anlagen mit insgesamt 2 MWp gehen bis Mitte Jahr in Betrieb. Bis Ende Jahr sind noch einmal drei Anlagen mit 1.7 MWp geplant. Ziel ist eine Leistung von rund 6 MWp bis 2024. HIAG stellt aktuell insgesamt 140’000 m² Dachflächen zur Verfügung und ist Türöffner zu den Abnehmern auf den Arealen. aventron kümmert sich um die Technologie, die Installation und den Betrieb. Es wird ein möglichst hoher Eigenverbrauch auf den HIAG-Arealen angestrebt. Da hilft uns, dass das Interesse der Mieter an Solarstrom deutlich zugenommen hat.
Wie sieht die digitale Roadmap von HIAG aus?
RM: Die Digitalisierung ist wesentlicher Bestandteil der Strategie 2025. Ziel ist, die Effizienz über die gesamte Organisation zu steigern. Konsequenterweise umfasst Digitalisierung auch die Zusammenarbeit mit unseren Partnern, Mietern und Lieferanten. Deshalb ist neben der Verfügbarkeit und der Qualität der Daten auch wichtig, dass wir die Datenhoheit behalten und die Datensicherheit gewährleisten.
MF: Um mit der Dynamik der Digitalisierung Schritt zu halten, arbeiten wir auch mit «PropTech»-Unternehmen zusammen mit dem Ziel, einen Mehrwert für unsere Nutzer auf den Arealen zu generieren.
2022 stehen zwei Anleihen zur Ablösung an. Was ist geplant?
MF: HIAG blickt auf ein sehr erfolgreiches Geschäftsjahr 2021 zurück. Alle Ziele wurden erreicht. Die Finanzkennzahlen konnten sogar substanziell verbessert werden. Ich bin überzeugt, dass wir damit über eine gute Ausgangslage für die anstehenden Refinanzierungen verfügen.
RM: Bezogen auf das Fremdkapital favorisieren wir weiterhin Anleihen für die Grundfinanzierung. Was dievariable Finanzierung betrifft, evaluieren wir derzeit verschiedene Alternativen. Mit dem Erlös aus der Kapitalerhöhung konnten wir einen Grossteil unserer grundpfandgesicherten Kredite zurückbezahlen und bereiten nun neue Finanzierungsmodelle vor.
Was zeichnet HIAG aus?
MF: HIAG hat 2021 ein Rekordergebnis erzielt, zu dem alle drei Geschäftsbereiche wesentliche Beiträgegeleistet haben, und verfügt über attraktives Wachstumspotenzial. Unsere Entwicklungspipeline und das Wertsteigerungspotenzial sind auf dem Schweizer Börsenplatz überdurchschnittlich. Das Portfolio- und Assetmanagement zeichnet sich durch grosse Mieternähe und Effizienz aus. Auch im Transaktionsgeschäft haben wir unsere Schlagkraft bewiesen.
RM: Das Geschäftsmodell von HIAG ist im Schweizer Immobilienmarkt einzigartig, aber anders als beispielsweise im angelsächsischen Finanzmarkt hier noch wenig bekannt. Wir werden deshalb künftig nicht nur transparent über die Geschäftsentwicklung informieren, sondern auch verstärkt unsere Strategie und das attraktive Risiko-/Renditeprofil von HIAG mit unseren Stakeholdern diskutieren.